Zu den Besonderheiten der Champions Hockey League gehört der Charme der Sportromantik: Anders als im Fussball spielt Geld keine Rolle. Es ist wohl der letzte internationale Wettbewerb einer wichtigen Sportart, bei dem es um Geist und nicht um Geld geht.
Der Sieger der Champions League im Fussball verdient mindestens 150 Millionen. Die ZSC Lions als Sieger der Champions League im Hockey erwirtschaften mit dem paneuropäischen Wettbewerb weniger als eine Million. Wahrlich, pure Sportromantik ohne Kapitalismus. So wie es sich einst der etwas naive Baron Pierre de Coubertin, der Begründer der modernen Olympischen Spiele am Ende des 19. Jahrhunderts, erträumt hatte.
Ein Trainer, der die Champions League im Fussball gewinnt, steigt in eine Gehaltsklasse von 15 bis 20 Millionen auf. Pro Saison. Oft sind es Titanen des Trainergeschäfts, die auch ohne europäischen Titel auf ein ähnliches Gehalt kommen.
Nun hat Marco Bayer mit den ZSC Lions die Champions Hockey League gewonnen und bekommt, sollte er nächste Saison weiterhin an der Bande stehen, nicht einmal eine Gehaltserhöhung oder eine Funktionszulage. Weil er lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach wollte.
Kurz nach der Beförderung vom Cheftrainer des Farmteams GCK Lions zum Nachfolger von Marc Crawford bei den ZSC Lions Ende Dezember hat Bayer seinen Vertrag vorzeitig um zwei Jahre bis 2027 verlängert. Als Trainer der GCK Lions. Mit der Option, weiterhin die ZSC Lions zu coachen.
Eine guteidgenössische, vernünftige Lösung. So hat der weitgereiste ehemalige Kult-Verteidiger (Chur, ZSC, Kloten, Zug, Ambri, Lakers, Langnau) die Sicherheit, dass er bis 2027 einen Job bei den GCK Lions hat – und zugleich die Chance, Trainer in der National League bei den ZSC Lions zu bleiben.
ZSC-Sportchef Sven Leuenberger bestätigt auf Anfrage, dass es so ist. «Wir haben bei der Vertragsverlängerung alles geregelt. Auch das Salär.» Also gibt es keine Lohnerhöhung für den Sieg in der Champions Hockey League? «Nein, wie gesagt, wir haben bei der Vertragsverlängerung alles geregelt.» Das bedeutet: Marco Bayer ist als Nummer 1 in Europa ein «Billig-Trainer», der bei weitem nicht 500'000 Franken brutto verdient.
Natürlich hätte Marco Bayer bei der Beförderung zum Trainer der ZSC Lions pokern können. Den Vertrag per Ende Saison auslaufen lassen und darauf vertrauen, dass er die Champions League oder die Meisterschaft gewinnt und dann als Champion an den Verhandlungstisch sitzen, der entsprechende Gehaltsforderungen stellen kann. 400'000 bis 600'000 Franken brutto oder geschätzt mindestens das Doppelte seines aktuellen Gehaltes wären da locker möglich geworden.
Aber Marco Bayer hat als Schweizer – anders als international erfolgreiche Seitenliniengeneräle im Fussball – gar keinen Markt. Selbst als Gewinner der Champions Hockey League sind seine Chancen auf einen Trainervertrag in wichtigen Hockey-Märkten wie Schweden, Finnland, Tschechien oder Deutschland gleich null. Und in Nordamerika (NHL) null Komma null. Aber es ist halt auch so, dass Marco Bayer auf einer Charisma-Skala Buchhalter Nötzli etwas nähersteht als Jürgen Klopp oder Carlo Ancelotti.
Ein Schweizer Trainer muss nach wie vor froh sein, wenn er überhaupt eine Chance in der National League bekommt. Mit einem etwas besseren sechsstelligen Gehalt als ein ETH-Turnlehrer. Der Entscheid von Marco Bayer war also richtig, den Spatz in der Hand (die vorzeitige Verlängerung zu festgelegten Konditionen) und nicht die Taube auf dem Dach (Vertrag auslaufen lassen, pokern) gewählt zu haben.
Immerhin hat er in seinem Vertrag bis und mit übernächste Saison (bis 2027) eine Klausel, die es ihm erlaubt, für übernächste Saison (2026/27) bei einem Angebot aus der National League aus dem Vertrag auszusteigen. Falls er zu diesem Zeitpunkt nicht nach wie vor Trainer bei den ZSC Lions ist.
Das Beispiel von Marco Bayer zeigt zugleich, dass Schweizer Trainer im Eishockey nach wie vor nicht den gleichen Respekt und die gleichen Verdienstmöglichkeiten und Marktchancen wie ausländische Trainer geniessen. Dabei haben sie inzwischen seit der Einführung der Playoffs alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt: Die Meisterschaft (Arno del Curto, Lars Leuenberger, Jan Cadieux) und nun die Champions Hockey League (Jan Cadieux, Marco Bayer). Jan Cadieux hat Servette 2023 zum ersten Titel seiner Geschichte und im Februar 2024 zum Triumph in der Champions League geführt – und ist zum Dank bereits im Dezember 2024 gefeuert worden.
Eigentlich hat nur Nationaltrainer Patrick Fischer als dreimaliger WM-Finalist (als Assistent 2013, als Cheftrainer 2018 und 2024) internationale Ausstrahlung und eine minimale Chance auf einen Job in einer wichtigen Hockey-Nation oder als Assistent in der NHL. Nationaltrainer Roger Bader möge uns verzeihen, dass wir «sein» Österreich nicht unter die wichtigen Hockey-Nationen einreihen.